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Wienerisches Diarium

Nr. 28, 5. April 1766

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[1]

Staatssachen.


Cadix den 25. Hornung.

Seit vielen Jahren haben wir keinen
Winter gehabt, den wir wegen sei=
ner
herben Kälte mit dem letzten
vergleichen können; wir sahen als etwas aus=
serordentliches
Eis und Schnee, und zwar
in ziemlicher Menge. Seit einem Monat
hatten wir täglich starke Sturmwinde, wel=
che
sowohl zu Wasser als zu Land schon vie=
len
Schaden angerichtet; den 20sten ware
ein gewaltiges Ungewitter, 6. Schiffe schei=
terten
auf unsern Küsten, und 2. mit Früch=

ten und Waaren beladene engländische Schiffe
giengen bey dem Eingang unsers Meerbusens
zu Grund, das Volk aber ward noch glück=
lich
gerettet. Verschiedene andere engländi=
sche
Schiffe sind kurz vor dem Ungewitter
von dieser Rheede unter Seegel gegangen,
und man hat seither keine Nachricht von
denselben erhalten. Kein einiges in unserm
Meerport gelegenes Schiff ist bey diesem
Sturm unbeschädiget geblieben.

Florenz den 20. März.

Se. königl Hoheit unser durchlauchtigster
Großherzog haben der berühmten Dichterinn

[2]

aus dem Stegereif, Frau Magdalena Mo=
relli
, sonst auch Corilla genannt, die bey
der feyerlichen Vermählung unserer gnädig=
sten
Herrschaften zu Jnspruck in Gegenwart
Jhrer kaiserl. Majestäten die glücklichsten
Proben ihrer dichterischen Begeisterung ab=
geleget
, ein jährliches Gnadengeld von 200.
Scudi auszuwerfen geruhet.

Den 19ten dieses, als an dem Namens=
feste
Sr. itzt glorwürdigst regierenden kaiserl.
Majest. Josephs des 2ten, war feyerlicher
Handkuß bey Hof, wobey Se. königl. Ho=
heit
der Großherzog zum erstenmal in der
österreichischen Feldmarschallsuniform er=
schienen
, mit welcher Würde Sie erst vor
Kurzem von des Kaisers und der verwittibten
Kaiserin Königin Majest. bekleidet wur=
den
. Mittags speiseten Jhre königl. Hohei=
ten
mit dem gewöhnlichen Gepränge öffent=
lich
, wobey die adeliche Leibwache zum er=
stenmal
in einer neuen Uniform die Tafel um=
zingelte
: der Rock ist eisengrau, mit silber=
nen
Schleiffer, und Achselschnüren besetzt, das
Bandelier, und die Patrontasche von schwar=
zen
Sammet reich mit Silber ausgemacht,
die Veste samt dem Wehrgehäng von gelbem
Tuch, ebenfals stark mit Silber gebrähmet,
und an dem Degen hangt ein rosenfarbes mit
Silber durchwürktes Schlagband. Abends
war Apartement in dem auf das prächtigste
beleuchteten grossen Saal.

Wegen denen Sienesischen Meergegenden
werden noch immer Rathsversammlungen ge=
halten
, um endlich ein Mittel ausfindig zu
machen, dieselben in gesunde, und fruchttra=
gende
Fluren zu verwandeln.

Genua den 15. März.

Briefe von Madrid geben, der dasige Hof
habe auf erhaltene Nachricht, daß viele al=
gierische
Raubschiffe in die spanischen Gewäs=
ser
ausgegangen, nacher Cartagena und Bar=
cellona
die gemessensten Befehle ergehen las=
sen
, daß die königl. Schebequen alsogleich
an denen spanischen Küsten kreutzen sollen,
um die Schiffahrt in dasigen Gegenden wieder
sicher zu machen; Auch wird gemeldet, daß
von Ferrol 2. Schiffe mit Kriegsgeräthe,
und Soldaten nach denen spanischen Pflanz=
örtern
in America bereits abgeseegelt seyen.

Aus einem Schreiben von Nesvitz * den
20. März.

Sowohl die Stadt als herumliegende
Gegend wird von rußischen Truppen, die
ungefähr auf 8000. Mann sich belauffen,
freundschaftlich, wie sie selbsten zu sagen
pflegen, besetzet, und an denen Gränzen un=
seres
Landes sammlen sich deren noch immer mehr
Die Kälte die wir heuer den ersten Monat des
Jahrs auszustehen hatten, ware heftiger,
als man sich hier bey Mannsgedenken zu er=
inneren
weiß, den 6ten Jenner stande das
Raumurische Thermometer am 16. Grade
unter 0. den 7ten am 19ten, den 8ten am
12ten, den 9ten am 10ten, den 10ten am
19ten, und den 11ten am 20ten Grad,
den 12ten kame dieses Thermometer schon
auf den 15ten den 13ten auf den 9ten,
den 14ten auf den 5ten, und endlich den
15ten auf 0 wieder zu stehen. **

* Nesvitz eine Stadt in der Landschaft Ma=
sovien
, oder Masuren in Pohlen, zwischen
Preussen, Cujavien, und Großpohlen, Klein
pohlen, und Lithauen gelegen.

** Wenn die Kälte von 20. Graden des ra=
murischen
Thermometers so wie man sie den
11. Jänner zu Nesvitz bemerket hat, gegen
den farenheitischen berechnet wird, so ergie=
bet
sich, daß dieser raumurische 20te Grad
der 13te unter 0. auf dem farenheitischen
Thermometer gewesen wäre; Allhier zu Wien
haben wir die gröste Kälte den 10. Jänner
gehabt, da das farenheitische Thermometer
den 6. Grad unter 0 auswiese, es hat also
die Kälte zu Nesvitz die hiesige um 7. fahren=
heitische
Grade überwogen, und ware auch
um 9. Grad heftiger als jene große Kälte die
man im Jahr 1709. zu Paris ausgestanden,
da das farenheitische Thermometer 4. Grad
unter 0 stunde.

Haag den 21. März.

Bereits am 10. haben die französischen
und großbritannischen Botschafter, imglei=
chen
die übrigen auswärtigen Gesandten und
Ministers, sich zu dem Wochenpräsidenten
erhoben, um demselben über die ihnen von
Seiten Jhro Hochmögenden eröffnete Anzeige
von der Jnstallation Sr. Hochfürstl. Durchl=
laucht
, des Prinzen von Oranien, in die
Statthalters, Generalcapitains=und Admi=

[3]

ralswürden der sieben Provinzen, Dank ab=
gestattet
. Seit dem sind auch fast alle Ta=
ge
die unterschiedlichen Abgeordnete der Pro=
vinzen
und Collegien der vereinigten Nieder=
lande
bey Hofe erschienen, um ihre Glück=
wünsche
bey Sr. Hochfürstl. Durchl. abzule=
gen
. Ein gleiches geschah vorgestern durch
eine Deputation der Directoren des grossen
Fischfangs von Seiten der Städte Delft,
Rotterdam, Schiedam, Brielle und Enkhuisen.

Morgen wird der Baron von Wassenaer,
und der Wochenpräsident bey der Versamm=
lung
der Generalstaaten, Herr Can, nach
Amsterdam abgehen, um einen ihnen gesche=
henen
Auftrag zu vollziehen. Dem Ver=
nehmen
nach, soll sich derselbe auf den be=
vorstehenden
Empfang und die Jnstallation
des Prinzen Stadthalters, als Generaldi=
rectors
der ostindischen Gesellschaft hiesiger
Lande in die Cammer der siebenzehn, beziehen,
Diese ostindische Gesellschaft, nachdem ihr
bereits lange Zeit vorher ihre Handlung in
Ostindien nach Wunsch von statten gegangen
war, bekam am 20. März 1602. die schrift=
liche
Freyheit, eine Gesellschaft aufzurichten,
zu welchem Ende sie 6. Millionen und 600.
tausend französische Pfund an Capital zu
sammen schossen, und 4. Cammern aufrichte=
ten
, nämlich zu Amsterdam, in Seeland, zu
Delft und Rotterdam, zu Enkhuisen und
Horn. Es sind in allem 60. Directoren dar=
über
bestellet, und aus diesen ist wiederum ein
Anschuß von siebenzehen Directoren, welche
sich, wann es vonnöthen ist, versammlen,
und über die Angelegenheiten der 4. Cam=
meren
berathschlagen. Die Regierung in
Ostindien wird durch Anordnung und Be=
fehl
dieser Compagnie verwaltet, welche mit
den Fürsten und Potentaten, so bey dem
Vorgebürge der guten Hofnung, und längsthin
auf den Meerküsten wohnen, Krieg führen,
und Friede oder Verbündnise schliessen kann.

Londen den 14. März.

Gestern ward die Bill von Wiederruf=
fung
der Stempelacte in Amerika, von dem
Ausschusse des Oberhauses genehmigt, und
beschlossen, daß sie am 17. zum drittenmal
verlesen, und alle Pairs beruffen werden
sollten, sich bey dieser Verlesung einzufinden.

Demnächst ward die Bill, welche der Crone
und dem großbrittannischen Parlamente die
Rechte von der Abhängigkeit der Colonien
in Amerika versichert, berichtiget. Eben
diese Bill wurde so fort den Gemeinen wie=
der
zurück geschickt, um ihre Beystimmung
zu den von den Pairs darin gemachten Ver=
änderungen
zu erhalten. Bey der nemlichen
Sitzung sind der Kammer, auf Verfügung
des Königs, verschiedene auf die in Ameri=
ka
erregten Unruhen sich beziehenden Papie=
re
, durch den Herzog von Grafton vorge=
legt
worden.

Die beyden Prinzen, der Prinz von Wal=
lis
, und Bischof von Osnabrück befinden
sich bey ihrer inoculation ziemlich wohl. An
dem Bischof erschienen die Blattern gestern
zum erstenmal, der Prinz von Wallis aber
hat sie noch nicht bekommen. Es ist gewöhn=
lich
an Sonntägen für den König, die =
nigin
, den Prinzen von Wallis, und gesamte
königl. Famillie in allen Kirchen von den
Canzeln zu bitten. Ein Preßbyterianischer
Prediger aber ließ vorgestern den Prinzen
von Wallis aus; als er darüber zur Rede
gestellet ward, gab er zur Antwort, daß er
es für unnöthig erachtet für den Prinzen zu
bitten, weil ihn jetzo nicht Gott, sondern
die überklugen Menschen unter Händen hät=
ten
. Vermutlich wollte dieser Thor dadurch
sein Mißfallen am Jnoculiren bezeugen.

Von St. Kitts wird geschrieben, daß die
Franzosen in der Jnsul Quadalupe zu Bas=
seterre
neue und starke Festungswerke angele=
get
haben, die bereits völlig aufgeführet,
und in wehrhaften Stand gesetzet worden.

Briefe aus Jamaika melden, daß ein eng=
ländische
Fregatte von Surinam, an dem
Flusse Oroonoko, daselbst angelanget sey,
und dem engl. Admiral auf der Station zu
Jamaika, Sir William Burnaby, besonde=
re
Nachrichten überbracht habe. Die Brie=
fe
, welche dieses berichten, setzen folgende
Wort hinzu: Es ist gewiß, daß seit einigen
Monaten eine geheime Unterhandlung zwi=
schen
denen Franzosen und Holländern in da=
siger
Gegend gepflogen worden.

Von Senegal wird berichtet, daß ein eng=
lisches
Schiff, Nahmens der Prinz von Boa=
ny
, nach Neuyork gehörig, im Strom Gam=

[4]

bis in großer Gefahr gewesen sey. Die Skla=
ven
erregten einen Aufstand, und hatten sich
des Schiffs fast bemächtiget; der Kapitain
und alle seine Leute waren in Gefahr in das
Meer geworfen zu werden. Die Sklaven
wurden endlich überwältiget, dabey jedoch
der Oberbootsmann und zween Matrosen ihr
Leben eingebüßet haben.

Am 7ten des Morgens um 8. Uhr erschie=
nen
in dem sogenannten Hydepark ein vor=
nehmer
Herzog und ein Ritter von dem Or=
den
von Bath, jeder mit einem paar Pisto=
len
versehen, um sich zu duelliren. Diese
Zwistigkeit nahm ihren Ursprung im Parla=
ment
, woselbst der Ritter wegen der Ame=
rikanischen
Stempelacte zimlich vieles gere=
det
, welches der Herzog auf seine Persohn
zog, wie es den auch wirklich auf ihn gieng.
Die Aufführung der beyderseitigen Secun=
danten
ist lobenswürdig; denn ehe es zu Thä=
tigkeiten
kam, wiederholten sie erst den Ur=
sprung
der Zwistigkeit, und der Herzog be=
wieß
seine Unschuld so deutlich, und mit ei=
ner
solchen Ueberzeugung seines Antagonisten,
daß ihm von demselben Unrecht geschehen,
daß dieser seinen Fehler erkannte, und des=
wegen
um Verzeihung bat; worüber diese
beyden Feinde sogleich versöhnt, und die
besten Freunde wurden.

Paris, von 21. März.

Jhro Majestät der König haben den
Staatsminister, Marquis de Paulmy, zu
Dero Bottschafter der Republik Venedig,
an den Plaz des Grafen von Bosch, er=
nannt
, derselbe ist auch schon Sr. Majest. in
solcher Würde durch den Herzogen von Pras=
lin
vorgestelt worden. An gleichem Tage
hat sich auch der Ritter von Beautteville,
Königl. Botschafter in der Eydgnosschaft,
bey Jhro Majestät beurlaubet, und seine Rei=
se
nacher Genf angetretten, allwo derselbe
den 19ten dieses eintreffen wird. Der Ober=
aufseher
der Königl. Gärten, Herr von Bus=
son
, hat die Ehre gehabt Jhro Majestät den
14ten Theil seiner Naturgeschichte zu über=
reichen
. Bey Ankündung der Fasten für die=
ses
Jahr, hat der Franciscanerbarfüssermönch,
Peter Martial Hardi, an den König folgen=
de
Anrede gehalten: Sire, die glänzendeste

Krone zu besitzen, einem Volk, welches verdie=
net
, nur dem höchsten Regenten unterthan zu
seyn, vorzustehen, und so viele Herzen als Unter=
thanen
sind, zu beherrschen, dieses sind, Sire,
die Vorrechte Eueres Scepters und die Grösse
Eueres Reiches; Furchtbar Euern Feinden,
auch zur Zeit, da ihre Unternehmungen
glüklich sind, geehret von Euern Bundesge=
nossen
, welche Euer Majestät bey allen An=
schlägen
billich gefunden; ohneigennützig in
Euern Absichten; unwandelbar in denen Ver=
pflichtungen
, geliebet und verehret von einer
ganzen Nation, die in ihren Quellen, wofern
sie nur in der Liebe gesuchet werden, uner=
schöpflich
ist. Was kann derowegen dem
Ruhm Eurer Majest. noch fehlen? dörfen
wir es sagen: alle diese so grosse vereinigte
Vorzüge, gewähren die wahre Grösse noch
nicht: selbige können zwar auf dieser Erde
die unermäßliche Herschsucht ersättigen; al=
lein
zuletzt ertheilen sie doch nichts als Eiteles
und Vergängliches. Durch den Tod wer=
den
sie durchgestrichen, und das Grab zer=
nichtet
selbige. Es ist kein dauerhafter Ruhm,
als derjenige, der durch die Christlichen Tu=
genden
erworben wird. Der Sieger bey
Fontenoy, der Friedensstifter von Europa,
der Vater der Franzosen, wird in unsern Jahr=
Büchern immer leben! allein eben diese Jahr=
bücher
werden vergehen. Der würdige Sohn
der Kirche, der wahrhaftig Christliche Prinz,
der gottesfürchtige Monarch; dieses sind,
Sire Eure herrlichste Ehrennamen, dauer=
hafte
Namen, welche die Religion heiliget,
und welche Euch von Dero wahren Ehre und
Ruhm versichern können.

Der Herr Abt von Boismont hat die den
6ten dieses in der Capelle des Louvre in Ge=
genwart
der Akademie gehaltene Leichenrede
aber den Tod des Dauphins Sr. Majestät
dem König und dem Königl. Hause zu über=
reichen
die Ehre gehabt, in derselben hat Er
den Text aus dem Psalmisten angebracht.
Die Stimme des HEeren zerschmettert die
Cedern. Der Entwurf dieser Rede war mit
vieler Klugheit ausgeführet, und sehr weislich
eingetheilet; der Dauphin, so lauten die Wor=
te
unter anderm, lebte ohne Gepränge, um ster=
ben
zu lernen. Die weise Stille seines Le=
bens
bereitete ihm den Ruhm seines Todes,

[5]

Er bewiesen im Sterben, wie würdig Er zu
leben gewesen, und verherrlichte durch densel=
ben
sein Leben, so mit vielen Tugenden aus=
gezieret
war. Seine Seele war voll von
Weisheit, Gerechtigkeit, Güte, Empfindung,
Muth und Standhaftigkeit, am grösten aber
war sein Triumph des Todes. Diese Rede
des Abts Boismont: war von einer edlen Na=
türlichkeit
, ungekünstelt und dem Gegenstand
vollkommen gemäß.

Versailles, den 19. Martii.

Am 18ten dieses haben der Herzog von
Fleury, Pair von Frankreich, des Heil. Geist
Ordensritter, und vorderster Kammerjunker des
Königs, als Gouverneur von Lothringen und
Bar; und der Herzog von Nivernois, Pair von
Frankreich, des Heil. Geist Ordensritter, als
Generallieutenant von Lothringen und Bar,
in die Hände Sr. Majestät den Eid der
Treue geleistet.

Jn der Nacht vom 7ten auf den 8ten
dieses Monats sind Diebe in die Pfarrkirche
zu Cusset im Bourbonischen eingestiegen,
haben die Thüre des Tabernackels erbrochen,
und sowohl die Monstranz mit der geweyhten
Hostie, nebst mehr andern Hostien zur Com=
munion
, als auch eine kupfer versilberte Lam=
pe
gestohlen; und beym Fortgehen haben sie
sämtliche Hostien auf einen Grabstein und
mitten im Koth ausgestreuet. Sobald der
dortige Pfarrer, Herr Chabrol, von diesem
Unfall Nachricht bekommen, liesse er solches
alsogleich denen Canonicis der Königlichen
Kirche zu Crusset zu wissen thun, die sodann
in Begleitung des Pfarrers und derer Capu=
ciner
in Proceßion sich an den Ort der Pro=
sonation
verfüget, und als sie die Hostien und
die Partikeln davon, die der Wind ausgestreuet
hatte, oder von Leuten, so vor Tags vorbey
gegangen sind, zertretten worden waren, zu=
sammen
gesuchet hatten, eine solenne Messe
pro reparatione injuriarum Sancto Sacra-
mento
illatarum gehalten haben. Nachmit=
tags
wurde eine Generalproceßion gehalten,
und darauf nochmahls an den Profonations=
ort
sich verfüget und Kirchenbusse gethan,
welchen Ceremonien die Officianten des =
niglichen
Amts und der Stadtrath, unter
dem Zulauf einer grossen Menge Volks bey=
gewohnet
haben.


Vermischte Neuigkeiten.

Jn Schweden sind die Wölfe noch immer sehr
hungrig, wie aus verschiedenen daher eingelang=
ten
Nachrichten geklaget wird; unter andern drückt
ein Schreiben von Stockholm hierüber sich folgen=
dergestalten
aus: Auch in unseren Gegenden
ist an diesen Ungeheuren kein Mangel, es hat sich
deren eine grosse Menge nicht weit von hiesiger
Residenz in der Provinz Vestmannland gezeiget,
die aber gleichwohl keinen sonderlichen Schaden
gethan haben. Ob es gleich an geschickten Jägern
bey uns nicht fehlt, so hat es doch bisher nicht
glücken wollen, einen davon zu erhaschen. Ein
einziger ist neulich von einem Käthner des Gutes
Fiholm, dem Landeshauptmann Baron von Nid=
derstolppe
, gehörig, auf eine besondere Art getöd=
tet
. Diesem Manne ward von einem Wolfe, der
ihm gerade nach der Gurgel sprang, heftig zuge=
setzt
. Allein der Mann faßte sich in seiner Be=
stürzung
wieder, hielt den Wolf mit der rechten
Hand ab, faßte ihn mit der linken zwischen den
Ohren, und warf ihn zu Boden. Nach einem
heftigen Ringen von einer viertel Stunde kam
endlich ein Nachbarn des Käthners darzu, und töd=
tete
den Wolf mit einem Beil in einigen Schlägen.
Der Käthner hat hierbey nicht die geringste Be=
schädigung
bekommen.

Aus der Trenschinergespannschaft hat man Nach=
richt
, daß in der Fürstl. Esterhazyschen Herrschaft
Bitsch, erst kürzlich ein gwisser, Edelmann Na=
mens
Lukätschy im 113. Jahre seines Alters ge=
storben
sey. Er hat nie etwas von Krankheiten
gewußt, und den völligen Gebrauch seiner Sinnen
bis zu dem letzten Hauche seines Lebens beybehal=
ten
. Einige Stunden vor seinem Ende hat er
noch eine Pfeife Taback, den er stäts zu schmau=
chen
gewohnt wer, mit sehr gutem Appetit aus=
gedampfet
. *

* Die Verschiedenheit der Himmelsgegend, der
Nahrug und Bequemlichkeit, hat keinen Ein=
fluß
auf die Dauer des Lebens. Diejenigen,
welche von rohem Fleische, oder von Wurzeln
sich ernähren, leben eben so lange, als die, wel=
che
Brod und wohlzugerichtete Speisen genies=
sen
. * Dies ist die Anmerkung der Preßburger=
zeitung
. Sie ist aber grundfalsch. Die Dauer
des Lebens kömmt meistens auf den Bau des
Körpers an; die Erfahrung lehrt, daß man ihn
durch unrichtige Lebensart schwächen, zerstöhren,
und umwerfen kann. Vielleicht hat unter et=
welchen
Tausenden in dieser Gegend nur dieser
einzige den hohen Grad des Alters erlangt, ob=
wohl
die Uebringen mit ihm in der Nahrung
gleich gelebet haben. Sollte man derowegen
a particulari ad universale gleich einen Schluß
machen dörfen? .

[6]

Wien den 5. April 1766

Mitwoch den 2ten als an dem zur feyerli=
chen
Brautwerbung des Durchlauchtig=
sten
Prinzen Albert, Königl. Prinzens in Poh=
len
, und Herzogs zu Sachsen um der Erz=
herzogin
Maria Christina Königl. Hoheit
festgesetzten Tage, waren alle Garden bey
Hofe in unter Gala; die Cavaliers und
Damen aber wie an den übrigen Galatägen
währender tiefen Hoftrauer. Zur bestimmten
Stunde wurden von Hof verschiedene k. k. Käm=
merer
mit einem Kammerfurier über den langen
Augustinergang in das auf der dortigen Bastey
stehende Hofgebäude abgeordnet, um Hochge=
dachten
daselbst wohnenden Prinzen abzuho=
len
: welcher sofort unter Vortretung der ei=
genen
Hofleute, die alle in kostbaren bunten
Galakleidern erschienen, und in Begleitung
der vorgemeldten K. K. Kämmerer, wie auch
des am hiesigen Hofe stehenden Chursächsischen
gevollmächtigten Ministers, Herrn Grafen
Vitzdom von Eckstädt, und des geheimen
Legationsraths und Minister Residenten Hrn.
von Pezold, über ebendenselben langen Gang
in das Trabantenzimmer, allwo die Livrey
stehen geblieben, und durch die grosse Ritter=
stube
, woselbst die deutsche und hungarische
adeliche Leibgarden zu beeden Seiten Spal=
lier
machten, bis an die erste Antecamera sich er=
hoben
. Bey dem Eingang empfiengen Hoch=
denselben
die obristen Hofämter, als die zwey
Kais. und Kais. Kön. Obristhofmeister Herr
Graf von Ullefeld und Herr Fürst Kheven=
hüller
, der Obristkämmerer Herr Graf
von Salm und der Obristhofmarschall Herr
Fürst von Schwarzenberg, und führten Jhn
durch die zweyte Antecamera, vor deren
Thüre Desselben Hofofficiers und Edelkna=
ben
stehn blieben, in das geheime Raths=
zimmer
und bis in die Retirade zur Audienz
bey beyden Kaiserl und Kais. Königl. Ma=
jestäten
: daselbst wurde ein Thürflügel geöffnet,
der Durchlauchtigste Bräutigam eingelassen,
und der Flügel wieder geschlossen. Jn der
Retirade befanden sich neben der Kaisers,
und der Kaiserin Königin Maj. Maj. die
durchl. Braut Erzherzogin Maria Christina,
nebst allen übrigen königl. Hoheiten, und dem
hochwürdigsten, durchlauchtigsten, Prinzen
Clemens zu Sachsen, Bischoffen zu Frey=

singen und Regenspurg, Coadjutor zu Aug=
spurg
: als Brudern des durchlauchtigsten
Prinzen Albert, welcher sofort mittelst einer
Anrede zu erst an Jhro Maj. die Kaiserin
Königin, als Mutter, und hernach an Se.
Majestät den Kaiser, als Mitregenten, das
feyerliche Ehebegehren um die durchlauchtig=
ste
Erzherzogin Maria Christina that, und
nachdem die allerhöchste Einwilligung und so=
dann
auch das Jawort Jhrer königl. Hohheit
mittelst einer tiefen Neigung gegen beyde k. k.
Majestäten erfolget ist, der Durchl. Braut
sein in Brillanten kostbar eingefaßtes Bildniß
überreichte: verfügte sich hierauf nach genom=
menem
Abschiede von den obersten Hofämtern
bis in die erste Antecammera, und von dem
Herrn Hofmarschall weiters begleitet, nach
dem Apartement Jhrer Maj. der Kaiserin um
allerhöchst deroselben von dem erfreulichen
Vorgang selbst die Nachricht zu geben,
Daselbst wurde der durchl. Bräutigam von
Jhro Majest. Obristhofmeister, den Herrn
Grafen von Sternberg empfangen, und
zur Audienz geführet: begab sich aber nach
einem kurzen Aufenthalt wieder zu beyden k. k.
Majestäten in die Retirade zurück. Kurz
vor der Tafelzeit erhoben sich Se. Maj. der
Kaiser mit dem durchl. Brautpaar, und Jh=
ren
Königl. Hoheiten den zween Erzherzo=
gen
Ferdinand und Maximilian, wie auch
den Erzherzoginnen Elisabeth, Amalia, Jo=
sepha
, Carolina, und Antonia, nebst dem
Prinzen Clement von Sachsen, zu Jhro
Majestät der Kaiserin Josepha, von dort
aber sämmtlich zur Tafel.

Da die hohe Vermählung erst die nächste
Woche nicht hier, sondern in dem Schloß=
hof
an der March vollzogen werden soll, so
ist der Tag der feyerlichen Brautwerbung
so, als wenn er der Vermählungstag wäre,
gefeyret, und auf eben diese Weise auch die
Tafel gehalten worden. Diesem zufolge
nahm das durchl. Brautpaar den ersten Platz
auf der rechten Seite von Sr. Majestät dem
Kaiser herab, und der durchl. Prinz Clemens
zu Sachsen, als welcher die hohe Trauungs=
function
verrichten wird, speisete gleichfalls
mit an der Tafel, bey welcher auch die zween
durchl. Erzherzoge, und fünf durchl. Erz=
herzoginnen
fassen. Die Tafel war in Gold
serviert: Die Speisen wurden von den

[7]

Truchsessen aufgetragen, die übrige Bedie=
nung
aber geschah von Kämmerern: währen=
der
Tafel ward Musik, und des Abends gros=
ses
Apartement, wobey von dem Durch=
lauchtigsten
Brautpaar die Glückwünsche
aufgenommen wurden. Des Hrn. Cardi=
nals
Erzbischofs fürstl. Eminenz, der päbstl.
Monsignor Nuntius, die übrigen Herren
Botschafter, Gesandte und fremde Minister
haben selbige besonders theils den nämlichen
Tag, theils den folgenden abgelegt.

Se. Majestät der Kaiser und der zween
Erzherzoge königl. Hoheiten waren diesen Tag
in ihrer Militaruniform: die durchlauchtigste
Braut in einem rosenfarben, weißgeblüm=
ten
, und mit niederländischen Spitzen reich
garnirten Kleide, und der durchl. Bräutigam
trug ein kirschenfarbes, silberreiches Kleid, mit
dem Ordenszeichen vom goldenen Vliese, und
dem St. Stephaniorden. Die durchl. Erzher=
zoginnen
aber erschienen wegen der Trauer in.
schwarzen Seidenstoffe gekleidet. Ueberhaupt
war der Schmuck sowohl der allerhöchsten
und höchsten Herrschaften, als der Hofdamen
unschätzbar.

Sonst haben heute Jhro Majestät die
Kaiserin Königin dem Königl. Preußischen
Hof und Legationsraths Herrn Böhmer Au=
dienz
zu ertheilen, und sein Creditiv, als Kön.
Preußischer Resident an dem alhiesigen Hof=
lager
von ihm anzunehmen geruhet.

Den nämlichen Tag ist der Hochwürdige P.
General des Capucinerordens zu Wasser mit sei=
ner
Gesellschaft in der Rossau unter häuffigem
Zulauf des Volkes angelanget, allwo er von ei=
nigen
Geistlichen der hiesigen Provinz empfan=
gen
worden, und mit diesen bey dem Schotten=
thor
herein bis zum Kloster gegangen ist: Bey
seiner Ankunft daselbst kamen ihm sammentl.
Patres und Fratres samt ihrem P. Provincial
mit Vortragung des Kreutzes entgegen, wel=
ches
er mit gebogenen Knien umarmet, und
nachdem ihm die Stola umgeben worden, das
Te Deum angestimmet hat, worauf der Zug in
die Kirche geschehen ist. Nach vollbrachten
Gebethe setzte er sich auf einen Sessel, wo alle
Geistliche des Klosters ihm die Hand und das
Ordensiegel geküsset haben: zum Beschluß
gaber allen Anwesenden den Segen.

Donnerstag den 3ten haben sich Se. Maj.
der Kaiser mit den Durchlauchtigsten Prin=

zen Clement, und Albert, nebst einigen Cava=
lieren
Vormittags jenseits der grossen Donau=
brücken
bey Stammerstorf mit einer Parforce=
jagd
erlustiget: Jhro Maj. die Kaiserinn =
niginn
aber sich nach Laxenburg begeben, und
sind Abends wieder in die Burg zurück ge=
kommen
.

Freytag den 4ten wurde in der verwittib=
ten
Kaiserinn Königinn Majest. Retirada die
bey dem königl. Erzhause im Falle der Aus=
heuratung
der durchlauchtigsten Erzherzogin=
nen
gewöhnliche Verzicht nach Jnhalt und
Ausweisung der hergebrachten pragmatischen
Erbfolgsordnung vollzogen: da denn vor bey=
den
Majestäten dem Kaiser, und der Kaiserinn
Königinn, sowohl von Jhrer königl. Hoheit
der Erzherzoginn Christina die deswegen ver=
fertigte
Verzicht=und Reservationsurkunde,
als von Dero durchlauchtigsten Bräutigam
die gleichfals gewöhnlichermassen ausgestellte
Genehmigungsurkunde, nach derselben vorge=
gangenen
Ablesung, unterzeichnet, und mit
einem Eide bestättiget worden: wobey, aus=
ser
des Herrn Cardinals Erzbischofen, und
der obersten Hofämter, allein die kais. königl.
Herren Conferenzministri, mit dem Herrn
geheimen Staatsreferendario gegenwärtig ge=
wesen
.

Diesen Abend sind zu Ottakrin, einem
nicht weit von hier gelegenen Dorf, durch
eine entstandene Feuersbrunst etliche Häuser
abgebrannt, die übrigen aber durch schleuni=
ge
Hülfe aus der Stadt, wozu die höchste
Gegenwart Sr. Majest. des Kaisers vieles
beygetragen, gerettet worden. So ist auch
vor zween Tagen die unerwartete Nachricht
hier eingelanget, daß der Marktflecken Pech=
larn
an der Donau, nächst Maria Taferl,
durch Feuersbrunst bis auf wenige Häuser in
die Asche geleget worden, wobey auch einige
Menschen durch das Feuer verunglücket sind.

St. allerchristlichste Majest. haben nun
auch den jüngsterfolgten höchstseel. Hintritt
weil. Sr. Maj. Stanislaus, Königs in Poh=
len
, Herzogens zu Lothringen, und Bar, dem
k. k. Hof förmlich zu wissen gemacht: da so=
wohl
die Trauer wegen dieses hohen Todfal=
les
, als jene für weil. Se. königl. Hoheit
den Dauphin eben in die Zeit der gegenwär=
tigen
14. Monate daurenden, und zwar noch

[8]

in die tiefeste Hof=und Landtrauer für weil.
St. Röm. kaiserl. Majest. einfallen, als wel=
che
nicht einmal bey der jetzigen hohen Ver=
mählungsfeyerlichkeit
allhier abgeleget wird:
so haben jedoch beyde kais. und kais. königl.
Maj. Maj. um allerhöchstdero besonders rüh=
rendes
Beyleide, und freundschaftliche Theil=
nehmung
darzuthun, ausdrücklich befohlen,
daß für die vorbemerkten beyden hohen Todt=
fälle
die Trauer nach hiesiger Hofklagordnung
zu gleicher Zeit getragen werden, und deshal=
ben
eine eigene Ansage hierzu geschehen solle.


Lista deren Verstorbenen zu Wien
in=und vor der Stadt.

Den 1. April. Jn der Stadt.

  • Dem Wohleblen Hrn. Franz Schwarzleutner, K.
    K. Niederlagsverw. s. T. Josepha, beyn 5. Kro=
    nen
    am Hof, alt 4. J.
  • Franz Plenkl, Burgl. Buchbinder, in s. H. auf der
    Dominic. Pastey, alt 59. J.
  • Dem Ant. Lihmann, Bed. s. W. Anna, im Geber=
    lischen
    H. in der Schullerstr. alt 55. J.

Vor der Stadt.

  • Dem (Tit.) Hrn. Zachar. v. Riemann, K. Dännis.
    Obristwachtm. s. Fr. Cath. Margar. geb. v. Cru=
    gern
    , beym gr. Rössel am Spitalb. alt 58. J.
  • Dem Bened. Hochstetter, K. K. Lauffer, s. W. Elis.
    bey der H. Dreyfalt. auf der Laimgr. alt 46. J.
  • Dem Joh. Walitschgo, Burgl. Bierw. s. K. Franc.
    im Taschneris. H. in der Leopoldst. alt 1. J.
  • Dem Math. Schradmüllner, Wäsch. s. K. Theres.
    im neugebaut. H. am Hundsth. alt 5. J.
  • Jul. Ringerin, Wit. b. gr. Stifel im Liechtenth. 58. J.
  • Sim. Grumbeck, Tagw. im Lor. Hueberis. H. am
    Hundsth. alt 60. J.
  • Dem Paul Ganimns, Tagw. s. S. Franz, beym
    Hirschenköpfel am ob. Neustift, alt 16. J.
  • Cath. Himlin, Burgl. Wittwe, beym gold. Raben
    in der Ungergassen, alt 60. J.
  • Anna Lederin, Wittwe, beym gold. Straussen auf
    der Neuwieden, alt 78. J.
  • Dem Andre Fux, Tagw. s. K. Elias, beym grünen
    Stifel im Lerchenfeld, alt 2. J.
  • Dem Sebast. Schemer, Tagw. s K. Franz, im Zer=
    ninis
    . Stöckl in der Leopoldst. alt 2. J.
  • Anna Hoferin, Wittwe, bey der gold. Enten in der
    Josephst. alt 68. J.
  • Der Elis. Lachnerin, Wittwe, ihr T. Franc. im =
    nigklost
    . H. am Traidm. alt 43. J.
  • Ther. Pedeckin, l. St. beym wild. Mann im Ler=
    chenfeld
    , alt 66. J.
  • Summa 17. Person. darunter 5. Kind.

Den 2. April. Jn der Stadt.

  • Hr. Steph. Mangcot, Herrsch. Secr. im Weissen=
    wolfis
    . H. in der kl. Dorotheg. alt 38. J.
  • Jungf. Clara Naßkin, Herrsch. Kammerjungf. im
    Fürst Liechtenst. H. in der unt. Breunerst. 32. J.
  • Dem Jgn. Schenk, Burgl. Tischler, s. K. Jos. im
    Lautteris. H. an Judenplatz, alt 5. v. J.

Vor der Stadt.

  • Dem Hrn. Franz Wustel, K. K. Arcier, s. K. Barb.
    beym Bern auf der Wieden, alt 1. J.
  • Dem Franz Quiner, Burgl. Mehlmesser, s. K. Jos.
    beym gold. Stuck auf der Neuw. alt 1. J.
  • Dem Georg Seitz, gew. Burgl. Brandw. s. W. Just.
    beyn 3. Lauffern zu Mariah. alt 55. J.
  • Dem Ferdin. Fruhwirth, Burgl. Schneid. s. W.
    Barb. beym Mondsch. in der Leopoldst. alt 62. J.
  • Dem Jos. Puchner, Tändler, s. W. Eleon. b. Zeisel
    am Spitalb. alt 37. J.
  • Dem Christ. Hibner, Chyrurg. s. K. Jos. im Mün=
    sterfeld
    . H. auf der Landstr. alt 1. J.
  • Dem Phil. Schaaringer, Bed. s. W. Eleon. beyn
    Wolfen auf der Neuwieden, alt 63. J.
  • Joh. Frauendorfer, Schuhkn. beym Pfauen in dem
    Lerchenf. alt 60. J.
  • Summa 11. Pers. darunter 4 Kind.

Den 3. April. Jn der Stadt.

  • Die Wohledle Fr. Elis. Vlachin, Wittwe, im Kull=
    mayris
    . H. am alten Fleischm. alt 82. J.
  • Fr. Reg. Stadlerin, Wittwe, im Kaiserhaus in der
    Himmelpfortg. alt 81. J.
  • Hr. Franz Devaux, Bluschfabric. von Brünn, der sich
    im Stadtgraben zu Todt gefallen, und vom k. k.
    Stadt=und Landgericht beschaut worden, alt 63. J.
  • Dem Joh. Rausch, Burgl. Bierw. s. K. Anna, im
    Neubaueris. H. in der Naglerg. alt 2. J.
  • Dem Hrn. Jac. Erath, Organist. im Burgerspit. s.
    K. Elis. im Zinneris. H. auf der Dom. Past. 6 v. J.

Vor der Stadt.

  • Joh. Mühle, Burgl. Drächsl. beym gr. Kranz zu
    Mariah. alt 38. J.
  • Magd. Fritschin, Wittwe, im Auerspergis. Stadl
    in der Josephst. alt 83. J.
  • Dem Math. Schneck, Burgl. Gartner, s. K. Anna,
    in s. H. auf der Neuwied. alt 1. J.
  • Dem Bernh. Feldkirchner, Music. s. K. Ros. beym
    schönen Schild in der Leopoldst. alt 3 J.
  • Franz Jordan, Webergs. bey der Schildwacht im
    Liechtenthal, alt 51. J.
  • Jos Rues, Nachtwacht. beyn Löw. am Neust. 42. J.
  • Andre Lebinger, im Kreutzherrenspit. auf der Wie=
    den
    , alt 66. J.
  • Cath. Kamerin, Wittwe, bey der Tauben zu Erdb.
    alt 66. J.
  • Joh. Schwimtzky, Gem. vom Löbl. Lasc. Jnf. Reg.
    welcher erstochen, und vom K. K. Stadt zu. Lgr.
    in der Alsterg. Casarm beschaut worden.
  • Summa 24. Person. darunter 4. Kind.
[9]

Gelehrter Nachrichten

1 stes

Stück.

Sonnabends=

Anhang

den 5ten

April

im Jahre

1766.

Num.

28.

LUTASUB AGIDEPALLAS


Caroli Frank magni Hetruriae Ducis, Archiducis Austriae, Archiatri, Acad. Botan.
Florent. Sodalis Experimenta de nonnulorum Ranunculorum venenata qualitate,
horam erterno, & interno usu. Viennae ex Offic. Kraus. 1766. in 8vo maj.

Die in der Arzneykunst so heilsam als erstaunliche Wirkung der ätzenden Sublimats,
und die von Hrn Hofrath und Leibarzte Stärk gemachte Versuche mitgistigen Plan=
den
, haben auch den Herrn Leibarzt Störk gemachte Versuche mit einigen Gattungen des
Hahnenfuß Ranunculus, anzustellen. Wir wollen dem Publikum einen kurzen Auszug
davon, und dann unsere Meynung darüber mittheilen.

Ranunculus Sceleratus Lin. & Cranzii fasc . 2. ist im Monat May, wenn er blü=
het
, so gelinde, daß seine Wurzel ohne empfindende Schärfe kann zerkauet, und wenn er im
Wasser oder Brühe abgekocht wird, wie Salat kann gegessen werden; wie er dies mit ei=
nem
Versuche an sich selbst beweiset. Der Stengel hat aber einen merklichen Unterschied
im Geschmacke; dann je kleiner, und je näher er der Wurtzel ist, desto beissender ist er, so
wie alle junge Pflanzen, und je älter er wird, je weniger wirksam ist er. Wenn man die
saftigen und fetten Blätter mit den Zähnen zerkauet, so locken sie den Speichelfluß herfür,
verursachen der Zunge einen brennenden Schmerzen, und wenn man sie zu lang in dem
Munde behält, oder dergleichen Versuche öfters wiederholet, so entzünden sie dieselbe gar,
ziehen rothe sehr schmerzhaften Bläßchen, welche den Geschmack gänzlich vertilgen, die Zäh=
ne
werden stumpf, schmerzen, das Zahnsleisch wird roth und blutet, wenn man es anrühret.
Diese Erscheinungen dauern durch 10. Tage fort, dann kömmt eine Empfindung auf die
Zunge, als wenn Kraftmehl, Amylum, darauf gestreuet wäre, und diese Empfindung ist das
Zeichen der Wiedergenesung. Von den Blumen entstehen weit grausamere Erscheinungen,
daher soll man sie behutsamer versuchen. Wenn man die zerquetschten Blätter auf einen
Finger hindert, ziehen sie eine Röthe, allmählich eine Blase, wie das Basenziehende Pfla=
ster
( Vesicatorium dies thun auch die Blumen, aber noch geschwinder, als die Blätter.
Aus der offenen Wunde fließt eine gelbe wässerichte Materie, (Ichor) welche man nicht
eher zutheilen kann, bevor der Jchor in einen wahren Eifer verwandelt worden ist. Per-
rinax
tale saniosam superficiale ulens quibusvis sive notis resissit remediis consolidanti -

[10]

bus. Der peruvianische Balsam hat sie erst in 3. Wochen geheilet, diese Versuche hat der
Hr. Verfasser an sich selbst gemacht. Wenn man die Warzen der Hände mit einer Schere,
oder chyrurgischen Jnstrument bis auf den fühlbaren Theil hinweg nimmt, und dann die
Blätter darauf bindet, so entstehet ein unleidentlich brennenden Schmerz, welcher sich bis
zur Schulter hinauf ausdehnt, den ganzen Finger entzündet, und eine Blatter zieht, die
Warze doch nicht hebet, es sey denn, daß sie nicht tief Wurzel geschlagen hat. Welches
wieder ein gefährliches Geschwür zurück läßt. Die frische Pflanze im Mörser zerstossen, zer=
streuet
einen flüchtigen unrichbaren Geist von sich, der den Augen die Thränen erpreßt, und
ein Niesen verursachet. Diesen Geist kann man auch empfinden, wenn man nur die Blät=
ter
mit dem Finger zerreibet. Der ausgepreßte Saft erzeuget einen brennenden Schmer=
zen
auf der Zunge wie die Blätter, jedoch ist er stärker, und dauerhafter. Wenn er aber
lang in freyer Luft gestanden, so ist er so gelinde, daß man ihn lang im Munde behalten,
und ohne Schaden verschlucken kann. Auf gleiche Art wird auch das in der Luft aufge=
trocknete
Kraut. Jm Kochen verflieget sich der volatilische Geist, und das Extract wird un=
kräftig
, gelinde im Geschmacke wie der Saft vom Spinat. Dieses Ertrakt hat Hr. Doct.
Krapf mit andern Eßwaaren gespeiset. Jn manchen Orten sollen die Schäfer und Hir=
ten
zwey Hand voll von dem frischen Kraut in einem Pfund Wasser durch zwey Stunden
kochen, und so ohne Schaden, als eine Zuspeise geniessen. Er selbst hat das Dekokt in
tussi ab acri stimulo, ab excoriatione, vel catarrho incipiente producta , mit gutem Erfolg
gegeben. Das Infusum davon hat alle Kraft in sich; nach 5. 6. oder 8. Tagen ver=
liehrt
es solche wieder, und man empfindet in der Kostung nur eine angenehme Süsse im
Gaumen. Nach eingenommenem Mittagmahle jejuno enim stomacho id tacere verebat
mortis timor, hat Hr. D. Kropf nur ein einziges gequetschtes Blätchen von der Blüthe
verschluckt, und empfand in unterschiedlichen Theilen des untern Leibes die heftigsten reissen=
den
Schmerzen, mit convulsivischen Bewegungen, und leichten Ohnmachten durch eine Vier=
telstunde
; 15. Tropfen von dem peruvianischen Balsam erleichterten dieselben zwar, aber
ein guter Trunk Wasser hat sie innerhalb 6. Minuten gänzlich gestillet. Gleiche Erschei=
nungen
haben auch zwey verschluckte Tropfen von dem Saft hervorgebracht, nur mit dem
Unterschied, daß der Magenschlund, (Oesophagus) durch 6. Tage völlig entzündet bliebe,
daher haben alle gesalzenen Speisen, Wein, Eßig, Zucker in Thee, oder Caffee genom=
men
, den Schmerz allezeit vermehret. Einem Hund gab er 1. Loth von dem
ausgepreßten Saft, aber ohne Wirkung. Der Versuch muste also wiederholet werden,
und von der zweyten Dosis wurde er schwermüthig, heulete, lief herum, krümmte sich,
und spye. Als er ihn den andern Tag durch den Kopf todt geschossen hatte, fand er bey
Eröfnung des Hundes den Magen zusammen gezogen, roth, entzündet, und auf der Ober=
fläche
angefressen, aber ohne erhobene Wasserbläschen. Das rechte Mundloch des Magens
(Pylorus) war rothblau angeschwollen, und so fest zusammen gezogen, daß es ganz undurch=
gängig
schiene. Der Eßig oder Wein mit dem Saft vermischt, erhöhen seine Schärfe.
Dies thun auch das Salz, Zucker, Honig, ja alle mineralische Salzgeister, als der sauere
Salz=Salpeter, und Vitriolgeist, auch das Bier, schärft es, aber nicht so mächtig. Weder
das Oehl, Milch, noch Butter können die Schärfe vermindern. Wenn man den Saft
mit gleich viel Wasser vermenget, so wird er zwar gelinder, aber man kann ihn doch nicht
lang auf der Zunge behalten. Ein halb Quentchen Saft in ein halb Pfund Wasser, kann
man sicher trinken. Auf eine solche Art kann man den Saft bald stärker, bald schwächer
gebrauchen, als ein anreizendes Medicament. Von dem zugegossenen Weinsteinöhl wird
das Dekokt lichtgelb, und seine Schärfe erhöhet sich. Von dem Salpeter oder Vitriol=
geist
wird es augenblicklich trieb, braunlicht, dann schwarz, und setzt schwarzbraunlichte Häut=
chen
auf den Boden. Jn der trockenen Herüberziehung, Destill. Sicca , bekömmt man ei=
nen
scharfen Liquor, der den blauen Violensaft weder grün noch roth färbet. Ein halbes
Quentchen von diesem Liquor in zwey Pfund Wasser, kann man ohne Schaden innerlich nehmen.
Aeusserlich soll es gut seyn in Fisteln, kallosischen, und winkelhaften Geschwüren, da es sol=
che
reiniget, die erstorbenen Theile hinweg nimmt, die schwachen Fäserchen anreitzt, daß al=
so
ein neuer Zufluß der Säfte auf diese Theile gebracht wird. Nun erzehlt uns der Herr

[11]

Verfasser durch 33. Seiten alle die Pflanzen, mit welchen er Versuche gemacht hat, ob
deren einige sein Gift dämpfen könnten, oder nicht, und durch diese 33. Seiten sagt er uns doch
nicht mehr als was er uns am Ende mit wenigen Worten sagt, daß nämlich der Bibergeil kein
Gegengift seye, wie es Aetius angiebt, ja vielmehr seine Schärfe vermehre, sondern der Saueram=
pfer
, und das Wasser sollen nach seiner Erfahrung die zwey einzigen Gegengifte des Hah=
nenfuß
seyn.

Er hat auch noch mit 9. anderen Gattungen des Hahnenfuß Versuche angestellet,
welche wir aber hier übergehen, um unsern Lesern nicht verdrüßlich zu fallen.

Wir müssen gestehen, daß der Fleiß, die Mühe, und Gefahr, welche der Hr. Ver=
fasset
zum Nutzen des menschlichen Geschlechts darinn verwendet, ihm sowohl als die gute
Ordnung, und schöne Schreibart zu einem wahren Ruhm gereichen. Es scheint aber dies
Werkchen mehr die Lehrende, als Ausübende Arzeneykunst zu bereichert. Wahr ist es,
daß man schon vor Jahrhunderten die giftige Eigenschaft des Hahnenfuß gekannt, dann alle
Alten haben die Schärfe desselben, so wie Hyeronimus Bock dem Euphorbio verglichen,
sie kannten also die Gattungen, und nicht die Theile, in welchen vorzüglich der Gift enthal=
ten
ist. Diese Entdeckung, und daß der Sauerampfer, und das Wasser die einzigen Ge=
gengifte
sind, haben wir, so viel uns bewußt ist, dem Herrn Verfasser allein zu danken.
Wir wollen ein wenig zurück auf den Nutzen gehen, den uns der Hr. Doct. Krapf davon
gemacht haben will.

Nro. 19. giebt er davon das Dekokt wider den scharfen Husten, ab acri stimulo,
wie wir oben angemerket haben, als ein linderndes Mittel an, welches er öfters bewehrt
gefunden hat; allein Nro. 13. behauptet er, daß die medicinische Tugend des Hahnenfuß
nur in den scharfen durchdringenden Theilchen bestünde, die durch das Köchen davon flie=
het
, und so unthätig wird, daß er uns das Dekokt Nro. 5. als unwirksam, und unschädlich
zum Essen, und zum Trinken giebt. Welcher Widerspruch!

Nro. 12. sagt er, daß das Wasser mit dem Saft des Hahnenfuß vermischt, auch
innerlich kann gegeben werden, indem es den Harnfluß befördere, die zähe, schleimige Säf=
te
auflöse, die Geschwüre der Lunge reinige, und die den Alten gewöhnliche Harnstrenge
theile. Einem 80jährigen Mann hat er damit die erschöpfte männliche Kraft wieder thätig ge=
macht
. Aber wie? hat der Hr. Verfasser die drey ersten Zeilen des nämlichen Abschnittes
schon vergessen, wo er selbst sagt: Aqua tamen ex omnibus notis est antidotum optimum
mitigans, iners reddens ranunculorum venenum acre.

Endlich wil der Hr. Verfasser bey dem äusserlichen Gebrauch das unschuldiges Bla=
senpflaster
, (Vesicatorium) ins Elend verweisen, und an dessen Platz seinen Hahnenfuß se=
tzen
. Da aber das erstere in der Arzeneykunst schon viele Jahrhundert seinen Ort behaup=
tet
, so wird ihm nicht so leicht sein Rang streitig gemacht werden können, zumal, wenn
man die hartnäckigen Geschwüre, ( ulcus pertinax welche das letztere allemal zurück läßt,
mit ihm in Vergleichung zieht. Die Bequemlichkeit, ein solches Pflaster auf jeden erfor=
derlichen
Ort, bald stark bald schwach legen zu können, ja sogar ohne Blasen ziehen, (wie
unser Freyherr van Swieten im 4. T . bey dem Wasserkopf, (Hydrocephalus) der
Kinder anräth) wird jederzeit die Rede für solches halten.

Wir wünschen also, daß der Herr Verfasser durch hinlängliche Beobachtungen, den
innerlichen und äusserlichen Nutzen des Hahnenfuß brauchbarer machen möchte, damit die
Aufschrift de externo, & interno usu nicht so leicht die Leser verführen könne.


Joseph Jakob Plencks, Meisters der Wundarzneykunst, und Geburtshülfe Schreiben
an Hrn. Georg Ludwig Rumpelt, churfürstl. sächsischen Hofwundarzt; worinn die Wirk=
samkeit
des ätzenden sublimirten Quecksilbers, und des Schierlings, wider den Herrn
L. E. Hirschel, der Arzney, wie auch der Wundarzneykunst Doctoren, dargethan wird.
Wien, bey Paul Kraus 1766. in 8vo 4. 1. halber B.

Diese Schrift ist in zwey Abschnitte eingetheilet. Der erste enthält die Widerlegung des
ätzenden Sublimats; der zweyte die Vertheidigung des Schierlings, beyde wider Hrn.

[12]

D. Hirschel Wenn je eine Erfindung in der Arzeneykunst, die der bestraften Menschlichkeit
viel gutes gethan hat, und die noch mit dem Siegel der Wahrheit von den berühmtesten
Aerzten Englandes, Frankreichs, Welschlands, Deutschlands pranget, einiges Lob verdie=
get
, so ist es der im Kornbrandtwein aufgelöste Sublimat. Man darf nur die Jahrbücher dieser
Gelehrten nachschlagen, um zu sehen, wie vielen Unglücklichen dardurch geholfen worden ist.
Alle gestehen ein, daß er ein specifisches Gegengift wider die Lustseuche, und unreinen Krank=
heiten
besitze, indeme er die Säfte bald durch den Stuhlgang, bald durch den Urin, am
meisten aber durch die unempfindliche Ausdünstung auf eine fast untrügliche Weise davon be=
freyet
; und wo das Ubel schon so weit gekommen wäre, dennoch dem schleichenden Gifte die
Schranken setze. Dies sagen sie alle, dies sagt uns selbst die Erfahrung; aber Hr. Hirschel
mit seinem Kolben in der Hand kann es nicht einsehen; er will Bestandtheile haben, findet sie,
und aus diesen, und ein paar unglücklichen Versuchen, schließt er auf das Glanze. Die Erkannt=
niß
des venerischen Gifts, gehöret freylich auch noch in das Archiv der menschlichen Unwissen=
heit
. Wir wissen nur die erschröcklichen Folgen davon, aber nicht seine Bestandtheile, und
wenn wir dies Mittel nicht hätten, so hätten wir vieleicht nichts. Und welche Mittel haben
sie denn dawider Hr. Hirschel? Die Dannenzapfen in Milch gekocht; gut! darum rathen sie
an §. 14. man soll nie den ätzenden Sublimat in venerischen Seuchen geben, auch nicht ein=
mal
in den hartnäckigsten; sondern die ordinarien Mercurialia, und Salivation gebrauchen;
weil sie es nicht einsehen können. Hr. Hirschel belieben sie nur diese angekündete Schrift
des Hrn. Plenks zu lesen, Sie finden ihre gute Widerlegung, und unsere ganze Meinung
darinn. Jhr Kolbe ist zerschlagen.

Jm Krebs kömmt es hauptsächlich auf ein specifisches Mittel an, und bisher haben sich deren
nur drey berühmt gemacht. Das erste ist der oben benannte ätzende Sublimat, welches von unserem
Freyherrn von Swieten bekannt gemacht worden, und mit welchem er selbst den Krebs an der Zun=
ge
eines Mädchens in 9. Monaten curiret hat. Das zweyte ist die giftige Pflanze bella donna ge=
nannt
, welche die Herren Lambergen, und Jatacker zu Erfinder hat; jedoch hat Herr Bromfreid
ihre Beobachtungen mit diesen Kraut verdächtig zu machen gesucht. Das dritte endlich ist die Cicu-
ra
oder der Schierlings=exrackt, von unserm Herrn Hofrath Störk erfunden. So, wie sich alle neue
Entdeckungen meistens auf die edle Bemühung gründen nutzlich zu seyn, so finden sich doch allemal Leu=
te
, die als schalkische Meckler sich neidisch bemühen, einem neuerfundenen Mittel den Fortgang zu
hemmen; wiederum andere setzen in die Zuverläßigkeit der Wirkungen überhaupt ein Mißtrauen, um
dadurch die Gewißheit der Arzeneykunst verdächtig zu machen. Wir wissen nicht, zu welcher Gattung
Hr. Hirschel gehören will, indem er auch zugleich eine Jdiosincrasie wider den Schierling an den Tag
leget. Bald lobt er, bald tadelt er ihn. Es ist zu belachen, daß dergleichen Leute alles zusammen
raffen, was sie in ihrer Blindheit nur ertappten können. Durch mehr als zwey Seiten leyert er von dem
grossen Wasserschierlinge herunter, der doch himmelweit von dem unserigen unterschieden ist. Allein
er will ein Buch schreiben, daher darf er sich vergessen, und dem blödsichtigen Leser Staub in die Au=
gen
streuen. Er spricht dem Schierling das Urtheil, und hat doch gar keine Erfahrung von ihm; Wir
sind nicht im Stande aus den Bestandtheilen eines Medicaments gleich untrüglich auf seine Wirkung
zu schliessen, indem uns die Art der Wirkung annoch verborgen liegt. Die schönen chymischen Versu=
che
des Grafen Caray lehren uns, daß von der Rhabarbar, und Fieberrinde in 60. Gran, derer nur 5.
bis 6. wirksam seyn sollen, folglich wären die übrigen lauter Erde; und dennoch wissen wir aus der
Erfahrung, daß 12. Gran dieses essentialischen Salzes kaum das wirken, was nur 5. Gran, mit ihrer
Erde verbunden, wirken können. Sollte man nicht daraus schliessen: daß zwar die Chymie die Be=
standtheile
einer Pftanze erweisen, aber die Erfahrung kann nur allein ihre Wirkung bestättigen. Last uns
lieber gestehen, daß wir bey vielen Mitteln die Art der Wirkung nicht einsehen können; genug, wenn
wir Hilfe bekommen. Gegenwärtige Schrift ist mit so viel Wahrheit, und Einsicht geschrieben, daß
wir sie unsern Lesern nicht genug anrühmen können. Die leichte und falsche Sätze des Hrn. D. Hirschels
sind mit einer wahrer Gelehrsamkeit aus der erhabenen Chymie (welches wir von Herrn Plenk als
einem Wundarzten nicht verhoffet haben) löblich bestritten. Wir haben mit Fleiß keinen Auszug da=
von
gemacht, weil alle Arztneyverständige das ganze Werkchen mit Vergnügen lesen werden. Auch die
deutsche Schreibart ist gut und richtig, wenn man einige geringe Fehler darin ausnimmt. Ubrigens be=
nachrichtiget
uns der Hr. Verfasser noch, daß man auch schon in Spanien Gebrauch von dem Schier=
lings
Ertrakt gemacht, wie dann Hr. Casimir Gomes Ortega in Madrit wirklich eine Abhandlung davon
herausgegeben, worinn die glücklichsten Curen von krebshaften Schäden, und andern Krankheiten ent=
halten
seyn sollen.

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